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Mittwoch, 08. August 2007

Kapitel IV
Von dimitrikalaschnikov, 08:43

 

 

„If you want to, I can save you. I can take you away from here.”

Michelle Branch

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Viel, viel später, es kam mir vor als sei eine kleine Ewigkeit vergangen, erwachte ich in einem weichen Bett. Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass ich tatsächlich nicht geträumt hatte. Denn dies war eindeutig ein Krankenzimmer. Die Wände und die Decke waren weiß und bis auf eine Uhr völlig kahl. Es roch nach Medikamenten und Desinfektionsmitteln, der typische Klinikgeruch eben.

Meine Eltern waren bei mir. Ich hatte nichts anderes erwartet. Selbstverständlich würden sie so lange am Bett ihres Sohnes sitzen, bis endgültig Entwarnung gegeben werden konnte. Und selbstverständlich waren sie sehr besorgt und durcheinander. Meine Mutter redete aufgeregt auf mich ein.

Gerade, als sie dabei angekommen war, sich Vorwürfe zu machen, weil ich mit dem Bus hatte fahren müssen, öffnete sich die Tür und ein Pfleger schob ein zweites Bett hinein.

Ich runzelte die Stirn. Mein Vater beeilte sich daraufhin, sofort zu versichern: „Du kommst gleich in dein eigenes Zimmer! Keine Sorge!“

Aber die Tatsache, nicht alleine zu sein, störte mich eigentlich gar nicht. Ich hätte im Gegenteil ganz gerne etwas Gesellschaft gehabt. Nein, ich überlegte nur.

Der neue Patient kam mir so bekannt vor. Aber ich konnte mich einfach nicht an ihn erinnern. Erst als ein Polizist hereinkam und den Mann nach ‚der Ursache des Unfalls’ fragte, wusste ich, dass es der Busfahrer war. Mit dieser Erkenntnis war ich zufrieden und wandte mich nun auch geistig wieder meinen Eltern zu.

„Mom, habt ihr Kai Bescheid gesagt?“ Meine Stimme kratzte. „Natürlich. Wir haben seine Eltern angerufen. Es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen. Sie haben ihn sofort abgeholt.“

Meine Mutter sprach auf mich ein, versuchte mich zu beruhigen und machte mich mit ihrer Angst nur noch nervöser und aufgeregter, als ich ohnehin schon war.

Also schloss ich kurzerhand die Augen und tat, als würde ich schlafen. Ich wollte nur noch meine Ruhe, nichts mehr hören und nichts mehr sehen.

„Ja, so ist es richtig, mein Schatz! Schlaf dich nur schön gesund! Wir werden morgen früh wieder kommen!“ Und dann gingen sie.

Ich aber behielt die Augen weiterhin geschlossen und lauschte. Der Busfahrer sprach gerade. „Mir wurde plötzlich schwarz vor Augen. Und dann stand dieser mutige junge Mann vor mir. Er zog mich vorne aus dem Bus heraus und brachte mich in Sicherheit. Der ganze Bus stand schon in Flammen. Aber dann sah er, dass der andere noch nicht draußen war. Er ging noch einmal hinein, ich konnte ihn nicht daran hindern. – Wo ist der Mann jetzt? Hat er alles gut überstanden?“ Der Polizist klang irritiert. „Wir wissen nichts von einem dritten Mann im Bus. Das war uns bis jetzt unbekannt.“

Lou war also schon draußen gewesen. Und dann noch einmal zurückgekommen. Warum? Vielleicht war er ja gar nicht so ein hochnäsiger Typ, wie ich gedacht hatte.

Plötzlich tat es mir Leid, ihn für arrogant gehalten zu haben. ‚Ohne ihn wäre ich jetzt wohl nicht mehr am Leben!’ schoss es mir durch den Kopf.

Ich hätte gerne noch mehr von dem Gespräch gehört, aber ein Pfleger betrat jetzt das Zimmer und schob mich mitsamt meinem Bett hinaus. Ich fragte ihn, was er da tue, und er antwortete mir: „Sie bekommen ein Einzelzimmer, damit Sie Ruhe haben.“ Aha. Das hatte wohl mein Vater veranlasst. Naja, er meinte es ja nur gut. Und ein bisschen Ruhe konnte schließlich auch wirklich nicht schaden.

 

In meinem neuen Zimmer angekommen lag ich da und starrte an die Decke. Alles war ruhig und ich lauschte dem leisen Ticken der Uhr über meinem Bett. Wirre Gedanken spukten mir im Kopf herum, aber es wollte mir einfach nicht gelingen, einen zu fassen und bis zum Ende zu verfolgen.

Immer wieder tauchte eine Frage vor mir auf: Hätte ich das auch getan? Hätte ich auch den Mut gehabt, mein Leben zu wagen, um einen anderen zu retten? Einen Fremden?

Alles schien darauf hinaus zu laufen. Und ich konnte mir keine Antwort auf diese wurmende Frage geben.

Aber war es denn Mut gewesen? Oder Selbstlosigkeit? Selbstverachtung? Todesmut?

Plötzlich klopfte es, und ohne mein „Herein!“ abzuwarten, öffnete ein uniformierter Mann die Tür, sah sich noch einmal um und trat schnell ins Zimmer.

Dann kam er zu mir und nach einer kurzen Begrüßung begann er, mir eine Menge Fragen zu dem Unfall zu stellen. Wo ich gesessen hatte, wohin ich hatte fahren wollen, was ich von dem Unfall mitbekommen hatte.

Ich schilderte ihm alles, ließ aber Lou ganz außen vor. Schließlich wollte der Polizist noch wissen, ob ich den Mann, der mich aus dem Bus geholt hatte, erkannt hätte. Ich setzte gerade zu einer ausweichenden Antwort an, als es erneut klopfte und der Pfleger, der mir zugeteilt worden war, leise die Tür öffnete.

Er streckte erst nur den Kopf durch den Spalt hinein, ohne den Raum zu betreten, doch als er den Polizisten sah, kam er mit schnellen Schritten hinein und fuhr meinen ‚Besucher’ wild gestikulierend an: „Was machen Sie hier? Sie können doch nicht einfach so hier herein gehen! Das ist unverantwortlich! Sie wissen doch, Prof. Kalaschnikov hat persönlich angeordnet, dass niemand außer den Ärzten und dem Pflegepersonal dieses Zimmer betreten darf! Das wird ein Nachspiel haben, das verspreche ich Ihnen!“ Der Beamte zuckte nur mit den Schultern. „Ich bin hier jetzt sowieso fertig!“

Der Pfleger schob den Polizisten zur Tür und verschwand mit ihm auf dem Flur. Ich hörte sie noch eine Weile streiten und den Pfleger laut schimpfen. Dann wurde wieder alles still und ich schlief irgendwann ein.

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